Vorschau mit Rückblick auf Corona – Herbst 2020

Von Gerhard Kofler, 25. März 2020 
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Es kommt die Zeit „danach“, nach der Ausnahmesituation rund um COVID-19. Wir werden Medikamente haben, die die Wirkung des SARS-CoV-2-Virus‘ mildern und vielleicht eine Impfung, die uns vor diesen Viren schützt. Aber die Viren haben sich inzwischen weiter entwickelt und neue Herausforderungen kommen auf uns zu. Mit der Erfahrung vom Frühjahr 2020 werden wir diesen Herausforderungen anders, wahrscheinlich besser, begegnen.

Wenn wir die vielen bedauerlichen Todesfälle ansehen, dann denken wir, dass es gut war, wie die Regierungen auf die Pandemie reagiert haben, sonst hätte sich die Todesrate wahrscheinlich vervielfacht. Doch wir wissen auch, dass mit steigenden Temperaturen und mit der Zunahme der „Hitzesommer“ die Zahl der „Hitzetoten“ bisher ebenfalls zunahm und weiterhin zunehmen wird. In Österreich waren dies in den letzten 10 Jahren – je nach Zählmethode und Jahr – zwischen 200 und 1.000 Toten pro Jahr. Klar, der Klimawandel ist keine ansteckende Krankheit, keine Pandemie, aber auch er erfordert jährlich tausende Opfer.

Seit dem Bericht des Club of Rome im Jahr 1972 – vor 48 (!) Jahren – wissen wir, dass unserer Ressourcen endlich sind, dass wir auf die Umwelt achten müssen und es nur eine Welt gibt („Raumschiff Erde“).  Seither hat sich viel getan, aber in die falsche Richtung. Energieverbrauch, Individualverkehr, Ressourcenverbrauch, Bodenversiegelung u.a.m. haben EXPONENTIELL zugenommen.  Und die Ungleichheit ist extrem gestiegen: einige wenige Menschen besitzen mehr als die Hälfte des kompletten Vermögens auf dieser Welt.

Im Vergleich zur Coronakrise wurde diesen Krisen mit Achselzucken begegnet.  Hunderte Konferenzen für Umwelt und Nachhaltigkeit haben stattgefunden, Tausende Seiten an Resolutionen, Plänen und Strategien und Lösungsvorschlägen wurden veröffentlicht, aber PASSIERT ist konkret sehr wenig oder sogar das Gegenteil. Wir – die Wissenschaft und interessierte Menschen – wissen längst, in welche Richtung wir uns entwickeln müssten, um eine humane, gesunde, nachhaltige Welt zu schaffen und zu erhalten: ein Blick auf die 2015 von der UNO formulierte Agenda 2030 und die Nachhaltigkeitsziele (SDGs – siehe u.a. www.sdgwatch.at) genügt. Würden diese 17 SDGs umgesetzt, so hätten wir annähernd das Paradies auf Erden. Mit den rund 2.000 Milliarden Dollar, die 2019 weltweit für Rüstung und Militär ausgegebn wurden, könnten man alle 17 SDGs umsetzen. Also niemand kann sagen, es ist alles so komplex, uns fehlt die Orientierung oder uns fehlt das Geld. Was uns fehlt, ist der Wille es zu tun, die Transformation wirklich einzuleiten.

Doch noch immer gibt es „KlimawandelleugnerInnen“, gibt es grobe Anschuldigungen an die MahnerInnen und AufzeigerInnen, werden aus politischem Kalkül Ängste geschürt und immer wieder neue Feindbilder geschaffen – zuletzt die „Wirtschaftsflüchtlinge“.  Außerdem wird weltweit jährlich mehr und mehr für Rüstung ausgegeben. Es fließen über 5 Milliarden Euro TÄGLICH in die Rüstung. Die Richtung, in der wir uns bis zum Frühjahr 2020 bewegt haben,  war in vielerlei Hinsicht falsch, weil zerstörerisch, barbarisch und von kurzsichtigen Profitinteressen geleitet.

Also nehmen wir jetzt die Sache endlich in die Hand, zeigen wir denselben Einsatz und die Disziplin wie bei der Coronakrise, und wenden wir die Richtung des Raumschiffs Erde. Hin zu einer solidarischen, existenzsichernden, friedlichen und nachhaltigen Welt, wo der Mensch und nicht der Profit, die Gier, im Mittelpunkt steht.

Verlangen wir die Transformation der zerstörerischen Wirtschaft in ein nachhaltiges schonendes menschenfreundliches System von unsern Politikern und den Wirtschaftseliten. Und fangen wir gleichzeitig bei uns selbst an: gehen wir friedvoll mit unseren Mitmenschen um, nehmen wir das Rad oder gehen zu Fuß, um eizukaufen, kleine Wege zu erledigen, steigen wir, so gut es geht, auf öffentliche oder gemeinschaftliche Verkehrsmittel um, suchen wir mehr Erholung in der Region und weniger in der Ferne, essen wir weniger Fleisch – kurz leben wir bewusster und intensiver. Und verwenden wir unsere Kreativität, um uns gemeinsam weiter zu entwickeln – auf allen Ebenen.
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Das Morgen nach der Corona-Ausnahmesituation sollte uns nicht überraschen

Größenvergleich: Größte schwimmende Müllinsel der Welt mit Deutschland
(Bild und Text: 102 grüne Karten zur Rettung der Welt, Katapult Verlag)
Millionen Tonnen Plastik schwimmen in den Ozeanen. Mittlerweile hat sich dieser Müll im Nordpazifik zu einem wabbernden Etwas entwickelt, das der Einfachheit halber gerne als Teppich bezeichnet wird, eigentlich aber eine Suppe aus Abfall, also Flaschen, Benzinkanister, Möbeln, Becher oder Strohhalmen ist. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Das Plastik, das im Meer an der Oberfläche schwimmt, macht nur 1 Prozent dessen aus, was in die Weltmeere gelangt. Der Rest des Mülls sinke ab, vermuten die Forscherinnen und Forscher.

In Dikussionen haben wir schon öfters über ein „Zeitfenster“ gesprochen, die kurze Zeit nach einem Bruch, wo Dinge plötzlich möglich sind, die vorher nicht denkbar waren – oder rasch als Utopie abgetan werden konnten. So ein Zeitfenster war die kurze Zeit der Desillusionierung nach dem 1. Weltkrieg, so eine Zeit war auch die relative lange Zeit des „Zusammenanpackens“ nach dem 2. Weltkrieg. Die schmalen Zeitfenster nach dem sogenannten Ölschock und vor allem der letzten Finanzkrise 2008 wurde leider von den progressiven Kräften verschlafen. Ich denke, so eine kurze Periode wird es auch nach dem „Ausnahmezustand Coronavirus“ geben.

 

Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Periode von den herrschenden
Eliten erneut dazu benutzt wird, um das desaströse (Umwelt, Klima,
Hunger, Psychostress, Rüstung etc.) und barbarische (Kriege,
Flüchtlinge, imperiale Lebensweise versus Verarmung) System erneut die
Richtung vorgibt und die Zerstörung von Umwelt, Tier und Mensch weiter
ungebremst seinen Lauf nimmt. – Es ist hier nicht notwendig, das soeben Gesagte im Detail zu belegen. Allein das Beispiel „Schwimmende Müllinsel“ sollte genügen, um zu zeigen, wie desaströs unser Wirtschafssystem ist.

Unser Land wird die Krise deshalb relativ gut überstehen, weil es nach wie vor einen großen vergesellschaftet Sektor gibt und die Sozialpartner in die Gestaltung der Ausnahmeregelungen mit eingebunden waren. Es liegt an uns, an der Zivilgesellschaft, die positiven Maßnahmen zu unterstützen und andererseits wachsam zu sein, dass nicht Einschränkungen der Persönlichkeitsrechte u.a.m. bleiben, nach dem die Corona-Ausnahmesituation geklärt ist.