Überlegungen zu Fred Luks‘ Buch „Hoffnung – Über Wandel, Wissen und Wunder“

von Ilse Kleinschuster – März 2020, in Zeiten der Corona-Pandemie

Gerade noch hatte ich Hoffnung gewonnen, schon ist sie zerronnen. Muss ich mich jetzt noch mehr damit abfinden, dass die Dinge nun mal nicht klar sind? Muss ich mich noch stärker in Ambiguität-Toleranz üben? Vielleicht so denk‘ ich mir, kann mir da Fred Luks, weiterhelfen. Ich lese sein Buch aufmerksam! Vielleicht kennt der profilierte Nachhaltigkeitsexperte sich besser aus was praktisch-mögliche (Über-)lebens-strategien betrifft, wie sie ja bisher immer und überall wo Menschen sind, die den Problemen klar ins Auge sehen, zu finden sind. Für mich als Sozial-/Umweltaktivistin in der initiativen Zivilgesellschaft war das ja lange Zeit im eher links-intellektuellen Milieu der Fall.

Zunächst aber ein paar Worte zur poetischen Einstimmung auf das  Buch: Fred Luks stellt seinen Ausführungen einen Text von Paul McCartney voran, den dieser in den 60er Jahre, also in den Jahren als Martin Luther King, der 1978 den Menschenrechtspreis der Vereinten Nationen erhielt, in den USA erfolgreich eine Bürgerrechtsbewegung gegen Rassismus angeführt hat und das Civil Rights Movement zu einer Massenbewegung geworden ist, die schließlich erreicht hat, dass die Rassentrennung gesetzlich aufgehoben und das uneingeschränkte Wahlrecht für die schwarze Bevölkerung der US-Südstaaten eingeführt wurde. Paul McCartney erklärt in einem Interview wie er öfter für seine Texte sich einfach im Hier und Jetzt umgehört habe – so auch für den Text von „Blackbird“. Mit dem Titel zum Song weise er auf die black girls hin, die sich so besonders kämpferisch der Kampagne Martin Luther Kings angeschlossen hätten.  Hier sei kein politisches Wunder geschehen, sondern tatkräftiges, gemeinsames Handeln von unten habe die US-Regierung letztendlich zur Abschaffung der Sklaverei gezwungen. – Tja, wer kennt und liebt diesen Song nicht: Blackbird fly, Blackbird fly, into the light of a dark black night!   

Haben wir daraus gelernt, dass – wie Fred Luks meint – Hoffnung angesichts unserer Lage ein „moralischer Imperativ“ sei? – dieser Gedanke zieht sich als roter Faden durch die 140 Seiten des Buches. Jedoch, wir werden gewarnt, denn Hoffnung, die nicht auf Wissen basiert, sei „falsche“ Hoffnung und diese sei zu kritisieren, will man an „echte“ Hoffnung glauben. Es wäre also ratsam für Menschen, die an Zukunft interessiert sind, an Hoffnung interessiert zu sein: Sie sei schließlich Voraussetzung für eine „gute“ Zukunft. O.k., das leuchtet mir ein!

Auf den folgenden Seiten bearbeitet Fred Luks Fragen, die schon vor ihm Dichter und Denker beschäftigt haben: Fragen, die sich nicht nur mit Hoffnung, sondern auch mit Chancen zur Gestaltung, mit Utopien und Dystopien beschäftigen. Für mich war’s reizvoll, weil ich gerne an die Vorlesungen beim Philosophen Peter Sloterdijk zurückdenke, der es ähnlich gut verstanden hat, Vergangenheit mit Gegenwart zu verbinden, ohne dabei seine eigenen Ansichten und Thesen einzuflechten, aber trotzdem anzuregen, dies persönlich zu tun.  So lässt Fred Luks z.B. auch den italienischen Kommunisten Antonio Gramsci zu Wort kommen, der für „unsere Themen relevante Sentenzen“ geliefert habe, indem er Krise als Zustand definiert, in dem das Alte stirbt, aber das Neue noch nicht geboren werden kann. Er verweist so auf die Geburts-Methapher „guter Hoffnung sein“. Die Geburt als ein Wunder, etwas Neues entsteht, das aber noch nicht absehbar ist. Ebenfalls von Gramsci soll ja die Formulierung stammen „Pessimismus des Verstandes, Optimismus des Willens“, wozu Fred Luks meinte, wenn das auch flache Konzepte seien, so verwiesen diese Worte doch auf etwas Wichtiges: Dass Analyse und Wissen sich nicht von Hoffnung blenden lassen sollten, und dass entschlossenes Handeln sich nicht von düsterer Angst lähmen lassen dürfe. Sowie überhaupt Hoffnung – ebenso wie politische Präferenzen – nicht auf das Wissen um den Stand der Dinge ausstrahlen sollte: Dieses Wissen sollte möglichst „kalt“ sein. Wissen käme letztendlich vor der Hoffnung. Und umgekehrt brauche Hoffnung die Hitze der Leidenschaft und Entschlossenheit. Handeln käme nach der Hoffnung. Für etwas brennen, habe oft mit Hoffnung zu tun.

Wenn wir also von einem Ausnahmezustand sprechen aus dem es ohne Hoffnung keinen Ausweg gibt, dann sollten wir diese Schwangerschaftsmetapher als einen moralischen Imperativ annehmen – und zwar in dem Bewusstsein, dass wir eine Gesellschaft sind, die multiple Krisen erlebt – und, die sich mit dem Fundamentalproblem konfrontiert sieht, dass die ökologischen Lebensgrundlagen, die technologischen Fähigkeiten zur Wohlstandsproduktion und das Funktionieren demokratischer Prozesse grundsätzlich in Frage stehen.  Also Verstehen wir und – hoffen wir!

Gute Dienste in dieser Richtung leisten uns auch – und da bin ich ganz bei Fred Luks – Ernst Bloch mit seinen Gedanken im Werk „Prinzip Hoffnung“, aber vor allem auch Hans Jonas in „Das Prinzip Verantwortung“. Von beiden lassen sich hervorragende Vorlagen konzipieren, die dazu dienen können, Bedingungen und Möglichkeiten „echter“ Hoffnung auszuloten. Und noch einer aus der Reihe von gedanklichen Vorbildern, die Fred Luks immer wieder zitiert, sollte hier nicht vergessen werden: Ferry Eagleton mit seinem Buch „Hoffnungsvoll, aber nicht optimistisch“.

Was aber, wenn uns hier lediglich zum Schluss der Vorschlag gemacht wird, uns spielerischen, träumerischen Bildern von der Zukunft hinzugeben? – Wenn zwar – wie Fred Luks meint – Visionen, Utopien und „radikale Alternativen“ unerlässlich für grundsätzlich ergebnisoffene, gesellschaftliche Such- und Lernprozesse, die in eine bessere Zukunft führen können, seien?  – Was, wenn von uns jetzt zu Beginn des 21. Jahrhunderst Wagnisse gefordert werden, die – wie er meint – man in ihrer Gesamtheit trefflich als „große Transformation“ bezeichnen könne? Und bitte, wie sollen wir demokratisch verstehen, dass „an echter Hoffnung Interessierte sich auch mit Risiken und Nebenwirkungen hoffnungsbasierter Wagnisse auseinanderzusetzen hätten.“  – O.k., nur, bitte welche Strukturen/Organisationen sind in unserer demokratischen Republik zuständig dafür, dass Mut zum Wagnis nicht bald auch bereut werden muss, dass Zauberlehrlinge nicht unter die ökonomischen Räder kommen? – Eine Problematik, die heute wohl auch nur global zu lösen wäre! Hier gäbe es immer wieder „blinde Flecken utopischer Überwindungsszenarien“, meint Fred Luks in Hinblick auf einen Kapitalismuskritiker.  Und, weil es einfache Lösungen nicht geben könne, sei es umso wichtiger, „einen klaren Blick auf ökologisch und sozial bedingte Veränderungsnotwendigkeiten zu werfen“ – und „gleichzeitig nicht aus dem Auge zu verlieren, was wir nicht verlieren wollen. Tja, an dieser Stelle frage ich mich  schon,  warum Fred Luks speziell in Hinblick auf die Gemeinwohlökonomie der Meinung ist, dass „Maß und Ziel einer hoffnungsvollen Zukunftsdebatte außer Sicht geraten könnten, wenn der Gemeinwohlbeglückungsaktivist Christian Felber mit Blick auf unsere Gegenwart formuliert, es sei ‚alles verkehrt‘ , oder auch, wenn Hoffnung auf dem Slogan basiert‚ ‚alles könnte (und sollte) anders sein‘ “?

Hallo, werter Fred Luks, was wenn nun in Zeiten der Corona-Pandemie Hoffnung auf Ernüchterung trifft?!? – Ernüchterung herrschte ja davor schon in vielen Milieus – Und wenn es jetzt wieder so ausschaut als würden einerseits die Elite-Milieus nur darauf warten, dass die Wirtschaft wieder angekurbelt werden kann –, wenn aber andererseits in den ökologischen Transformer-Milieus schon damit spekuliert wird, was alles mit der Corona-Krise anders werden könnte –, dann Gnade unseren gemeinsamen Hoffnungsträgern! Ich denke, in derart spannenden Zeiten– im Hier und Jetzt – wird Hoffnung sehr wandlungsfähig sein müssen, damit die Menschen handlungsfähig bleiben (können).

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